Eine Einschätzung von Prof. Dr. Birgit Felden
Die Coronakrise hat in vielen Bereichen zu erheblichen wirtschaftlichen „Vollbremsungen“ geführt. Neben dem Konsumrückgang sind zudem die Liefer(ketten)probleme, Kurzarbeit und neue Hygienestandards große Herausforderungen. Sicherlich gibt es einige Gewinner in der Krise, dennoch dominieren die Unternehmen, die durch die Corona-Krise schwierige Zeiten auf sich zukommen sehen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die aufgrund von eng gebundenen Ressourcen weniger Handlungsspielräume haben, leiden unter der derzeitigen Situation stark.
Die Sichtweise, das Krisen auch Chancen bedeuten, fällt vielen Entscheiderinnen und Entscheidern angesichts der vor uns liegenden Aufgaben und Unsicherheiten schwer.
Diese Chancen existieren jedoch tatsächlich und wir sollten sie nicht ungenutzt lassen!
Und wenn der Unternehmer oder die Unternehmerin – aus welchen Gründen auch immer – die Möglichkeit, das Ruder herumzureißen nicht direkt sieht, dann ist es dennoch eine einfache aber sehr richtungsweisende Chance: Nämlich die Unternehmensnachfolge, ob familienintern oder extern, endlich in Angriff zu nehmen.
Corona-Auswirkungen in der Nachfolge-Praxis
Ein Gedankenspiel: Der potenzielle Nachfolger des florierenden Metallbauunternehmens, das in den letzten 20 Jahren keine Krise erlebt hat, fängt nun an, genauer nachzurechnen, welchen Kaufpreis er sich wirklich leisten kann. Damit kommt eine höhere Professionalität in die Gespräche, die sicher auch eine bessere Grundlage für eine langfristig erfolgreiche Nachfolge ist.
Aber es geht natürlich auch anders: „Corona ist Mist, der internationale Investor ist abgesprungen.“
Und auch Unternehmen, die sich vor Ausbruch der Pandemie mitten im Nachfolgeprozess befanden, und nun mit vereinten (Familien-)Kräften das Unternehmen auf Kurs halten, können dem Nachwuchs damit eine gute Bewährungschance geben, die es im „normalen“ Unternehmensalltag wohl nicht gegeben hätte.
Corona-Auswirkungen in der langfristigen Perspektive
Es ist durchaus zu erwarten, dass es wieder mehr Nachfolger und Nachfolgerinnen geben wird: So berichten die Medien immer wieder vom drohenden Stellenabbau, auch in Managementpositionen. Viele dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden Abfindungen erhalten – teilweise in attraktiven Größenordnungen. Diese Mittel in ein unternehmerisches Engagement zu investieren, lockt in Anbetracht von Negativzinsen auf Girokonten und ebenso unattraktiven Renditen für sichere Anleihen.
Natürlich hat nicht jede und jeder das Zeug, einen Betrieb zu übernehmen. Aber wir sprechen ja von unerwarteten Chancen. Die Entscheidung, eine derartige Chance aktiv anzugehen, braucht auch mitunter einen externen Anlass: Den Wegfall der sicheren Festanstellung.
Hinzu kommt, dass Unternehmensverkäufe in 2017 bis 2019 sehr teuer waren. Mitunter waren die Betriebe überbewertet, vor Allem weil rentable Anlagealternativen fehlten. Nachdem der Markt in 2020 einbrach, werden in 2021 eine Reihe von Unternehmensverkäufen erwartet.
Corona-Auswirkungen auf die Kaufpreise für Unternehmen
In den letzten Monaten häufen sich Unternehmensverkäufe, in denen der Kaufpreis vom Zukunftserfolg des Unternehmens abhängig ist – das klassische Earn-Out Modell hat Hochkonjunktur. Insbesondere in unsicheren Zeiten sind Käufer daran interessiert, die Preisstruktur möglichst ergebnisbezogen zu definieren, um sich gegen Schwankungen abzusichern. Verkäufer indes sehen ein erhöhtes Risiko, den gewünschten Verkaufspreis nicht zu erreichen.
Moderate oder negative Wachstumsraten in Krisenzeiten bilden häufig eine Sondersituation in der Finanzhistorie. Verkäufer erwarten, dass Ergebnisse des Krisenjahres nicht im gleichen Maße in die Ermittlung des Unternehmenswertes einfließen. Die Integration eines ergebnisbezogenen Earn-Out kann daher eine Lücke zwischen den Parteien schließen und die Glaubhaftigkeit der Finanzplanung aus Sicht des Investors erhöhen.
Ist ein Unternehmer von seiner Finanzplanung überzeugt, kann er die negativen Bewertungseffekte des Krisenjahres abfedern. Ist der Earn-Out bestenfalls „nach oben“ nicht auf ein Maximum beschränkt, kann der Kaufpreis im Vergleich zum fixen Kaufpreis in Krisenzeiten sogar optimiert werden.
Auch das richtige Timing kann den Preis bestimmen. Möglicher Weise kann der Verkauf um einige Monate geschoben werden, bis BWA und Planung wieder besser zusammenpassen. Auch ein größeres Bieterfeld (Wettbewerb) kann eine Verhandlungsbasis bilden, einen Earn-Out abzuwenden oder zu optimieren.
Earn-Out und die Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung
Sofern Unternehmer oder Unternehmerinnen auch nach dem Verkauf die Geschäftsleitung verantworten, können sie dessen Performance mitgestalten. Dennoch können Integrationsmaßnahmen oder zusätzliche Investitionen das zukünftige Ergebnis negativ beeinflussen. Klar definierte Kriterien zur Absicherung des Verkäufers sind somit zwingend erforderlich, um Transparenz zu schaffen und die Einflussnahme auf die relevanten Parameter zu garantieren.
Folgende Punkte sollten dabei Beachtung finden:
- Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Parteien als Grundlage,
- KPIs, die vom Verkäufer beeinflussbar sind,
- die generelle Absicherung des Restkaufpreises (spätere Auszahlung),
- lineare Earn-Out Gestaltung mit attraktiver Chance nach oben,
- die Abgrenzung neuer Integrations- oder Wachstumskosten und
- eine Verschiebungsklausel im Falle von unerwartbaren äußeren Umständen (z.B. Corona).
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